Themen wie mentale Gesundheit, Achtsamkeit und Gesundheitsmanagement in Unternehmen haben wir im KVD regelmäßig auf der Agenda – weil Jobs im Service mitunter fordernd und anspruchsvoll sind, nicht nur körperlich wie bei Service-Techniker:innen im Feld, sondern auch in der Organisation, Administration und im Management. Wir haben dazu in diesem Jahr ein Schwerpunktheft der ServiceToday umgesetzt, außerdem eine Podcastfolge veröffentlicht, wie man sinnvollerweise betriebliches Gesundheitsmanagement aufbaut und umsetzt.
„In Zeiten von Fachkräftemangel gewinnt das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) an immer größerer Bedeutung. Es ist nicht nur ein Trend, sondern ein unverzichtbarer Schritt, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter im Service zu fördern und gleichzeitig die Produktivität und den Unternehmenserfolg zu steigern“, sagt auch unsere KVD-Vorständin Kerstin Wendt-Heinrich in ihrem Einwurf in der ServiceToday 4/23. „Unternehmen stehen in der Verantwortung, für Bewegung am Arbeitsplatz zu sorgen, Gesundheitsvorsorge in den Organisationen zu fördern, gerade auch mit Blick auf körperlich anspruchsvolle Berufe in der Industrie und Logistik.“
Dass wir mit dem Thema richtig liegen, bestätigen auch aktuelle Studien wie der AOK-Fehlzeiten-Report 2023, der jüngst veröffentlicht worden ist. Darin zeigen sich hohe psychische arbeitsbezogene Beschwerden unter Arbeitnehmer:innen. Am häufigsten wurden dabei Erschöpfung, Wut und Verärgerung sowie Lustlosigkeit genannt. Ein Vergleich mit Befragungsdaten aus den Jahren 2020 bis 2022 zeigt, dass alle selbst berichteten arbeitsbezogenen Beschwerden seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie zugenommen haben. Gegenüber den Jahren 2021 und 2022, der „Hochphase der Pandemie“, sind die Werte im Jahr 2023 zwar leicht gesunken, liegen jedoch immer noch über dem Niveau der ersten Messung vor Beginn der Covid-19-Pandemie.
Hohe Fehltagszahlen aufgrund psychischer Erkrankungen
Eine aktuelle Auswertung für den Fehlzeiten-Report zeigt zudem, dass die beruflichen Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen von 2021 bis 2022 um 48 Prozent zugenommen haben, während bei allen anderen Erkrankungsgruppen ein Anstieg von 35 Prozent zu verzeichnen war. Von diesen 35 Prozent war der größte Teil auf die pandemiebedingten Höchststände der Atemwegserkrankungen im Jahr 2022 zurückzuführen. „Im Vergleich zu anderen Krankheiten gehen psychische Erkrankungen häufig mit besonders langen Fehlzeiten einher“, erläutert Johanna Baumgardt, Forschungsbereichsleiterin für Betriebliche Gesundheitsförderung im WIdO und Mitherausgeberin des Fehlzeiten-Reports.
„Während psychische Erkrankungen 2022 im Schnitt zu AU-Zeiten von 29,6 Tagen je Fall führten, waren es beispielsweise bei Atemwegserkrankungen nur 7,1 Tage pro Fall.“ Der Durchschnitt über alle Erkrankungsgruppen lag 2022 bei 11,3 Tagen je Fall. Von den Ausfallzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen waren im vergangenen Jahr vor allem Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen betroffen, bei denen 14 Prozent aller beruflichen Fehltage auf psychische Erkrankungen entfielen. An zweiter Stelle standen die Branchen „Öffentliche Verwaltung / Sozialversicherung“ und „Banken / Versicherungen“ mit jeweils 13 Prozent. Der bundesweite Durchschnitt über alle Berufsgruppen lag bei zehn Prozent.
Mentale Gesundheit der Beschäftigten stärken
Wir haben in den Beiträgen des ServiceToday-Themenhefts darauf hingewiesen, dass es angesichts der sich verändernden Lebens- und Arbeitswelt extrem relevant ist, die mentale Gesundheit zu stärken. In diesem Zusammenhang empfehlen wir die fachlich wertvolle Artikelreihe von Sarah Steiner, von der in jedem der zurückliegenden Hefte der letzten 3 Jahre eine Kolumne erschienen ist.
Das alles hängt natürlich vor allem auch mit der Covid-19-Pandemie zusammen. Sie hat sicher so etwas wie eine „Zeitwende“ in der Arbeitswelt bewirkt, die sich am deutlichsten in der nahezu flächendeckenden Einführung von Homeoffice und mobiler Arbeit auswirkt. Das betont auch Prof. Bernhard Badura, Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports. „Unternehmen, Krankenkassen und Politik sollten sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie angesichts der neuen Rahmenbedingungen die mentale Gesundheit der Beschäftigten stärken können. Homeoffice und mobiles Arbeiten könnten positive Effekte wie mehr Flexibilität und Arbeitszufriedenheit haben, aber auch negative Auswirkungen wie eine Entgrenzung der Arbeit. Nicht zu unterschätzen sind auch die soziale Isolation und die mögliche Distanzierung vom Unternehmen“, sagt Badura. Hier seien die Führungskräfte besonders gefordert, die mentale Gesundheit der Beschäftigten zu fördern und mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen. Traditionelle Rollenmuster seien unter den neuen Rahmenbedingungen nicht mehr zeitgemäß und sollten durch moderne Konzepte wie eine „bindungsorientierte Führung“ ersetzt werden.
Als zukunftsfähig eingeschätzte Unternehmen haben gesündere Beschäftigte
Ganz spannende Erkenntnis des Reports: Fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) bescheinigten ihrem Betrieb oder ihrer Organisation eine ausgeprägte Zukunftsfähigkeit. „Das ist ein sehr erfreuliches Ergebnis, denn wir haben auch festgestellt, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen einer positiven Einschätzung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und der Gesundheit seiner Beschäftigten gibt“, berichtet Baumgardt. So fehlten Beschäftigte, die die Zukunftsfähigkeit ihrer Organisation oder ihres Betriebes positiv bewerten, nach eigenen Angaben in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung im Schnitt 11,6 Tage erkrankungsbedingt an ihrem Arbeitsplatz. Bei den Beschäftigten, die die Zukunftsfähigkeit schlechter beurteilen, waren es dagegen durchschnittlich 16,2 Tage. „Beschäftigte, die ihren Arbeitgeber als weniger gut gewappnet für zukünftige Entwicklungen bewerten, berichten über mehr gesundheitliche Beschwerden, häufigere krankheitsbedingten Fehlzeiten und gehen häufiger krank zur Arbeit“, sagt Baumgardt.
Betriebliche Gesundheitsförderung angesichts der großen Umbrüche noch wichtiger
Die aktuellen Krisen stellten viele Arbeitgeber und Beschäftigte vor große Herausforderungen, betont Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung seien angesichts der großen Umbrüche und Herausforderungen in der Arbeitswelt noch wichtiger geworden. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels muss die Gesundheit der Beschäftigten ein zentrales Anliegen jedes Unternehmens sein“, sagt Hoyer. Das sieht auch KVD-Vorständin Kerstin Wendt-Heinrich so: „Betriebliches Gesundheitsmanagement ist weit mehr als ein Schlagwort. Es ist ein vitaler Bestandteil moderner Arbeitskultur und ein Schlüssel zum Erfolg im Service. Unternehmen, die auf gesundes Verhalten am Arbeitsplatz sowie individuelle Unterstützung der Mitarbeiter und Teamevents setzen, Gesundheitsvorsorge als strategische Maßnahme begreifen und gezielt in die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden investieren, setzen nicht nur auf kurzfristige Effekte, sondern legen den Grundstein für langanhaltenden Erfolg.“
Carsten Neugrodda, Geschäftsführer KVD