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Die Digitalisierung ist ein zentraler Treiber für die Weiterentwicklung von Unternehmen und ihrer Geschäftsmodelle – gerade auch im technischen Service. Dabei wird oft über bahnbrechende Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), virtuelle Realität oder hochautomatisierte Systeme gesprochen. Diese „Top-of-the-Edge“-Entwicklungen sind beeindruckend und versprechen enorme Effizienzsteigerungen. Doch müssen alle Unternehmen, unabhängig von ihrer bisherigen Digitalisierungsreise, sofort auf diese Technologien setzen? Insbesondere im deutschen Mittelstand gibt es eine große Diskrepanz zwischen Unternehmen, die bereits weit fortgeschritten in ihrer Digitalisierung sind, und denen, die gerade erst anfangen, ihre Prozesse zu optimieren.

Es ist leicht, sich von den Schlagzeilen über KI und andere futuristische Technologien blenden zu lassen. Doch die Realität sieht für viele mittelständische Unternehmen anders aus. Gerade in Unternehmen, die technische Dienstleistungen anbieten oder eine eigene Field Service-Organisation betreiben, besteht oft noch ein enormer Nachholbedarf bei grundlegenden Digitalisierungsprozessen. Das bedeutet nicht, dass diese Unternehmen Rückschritte machen – im Gegenteil, für viele ist die Implementierung einer soliden digitalen Basis oft der erste und wichtigste Schritt.

Warum Digitalisierung nicht immer „High-End“ sein muss

Für Unternehmen, die gerade erst mit der Digitalisierung beginnen, kann es kontraproduktiv sein, sofort auf die neuesten Technologien zu setzen. Ein Servicebetrieb, der noch keine durchgängig digitalisierten Arbeitsabläufe hat, wird wenig von KI profitieren, wenn die Mitarbeiter vor Ort noch Papierdokumente ausfüllen oder Serviceeinsätze manuell planen. Hier liegt das eigentliche Potenzial der Digitalisierung: In der schrittweisen Einführung digitaler Lösungen, die die Prozesse effizienter und transparenter gestalten.

Viele dieser Unternehmen profitieren enorm von einer schrittweisen Digitalisierung, bei der beispielsweise das digitale Management von Serviceaufträgen, der Einsatz mobiler Geräte zur Echtzeitkommunikation oder der Einsatz von cloudbasierten Lösungen für die Lagerhaltung und Bestandsverwaltung im Vordergrund stehen. Diese „Basis-Digitalisierung“ sorgt dafür, dass der operative Betrieb effizienter abläuft, was nicht nur Kosten senkt, sondern auch die Qualität der Dienstleistungen erhöht.

Die besondere Herausforderung für den Mittelstand

Während große Unternehmen oft über die Ressourcen verfügen, um in innovative und teure digitale Technologien zu investieren, fehlt es kleinen und mittelständischen Unternehmen häufig an Zeit, Budget und Know-how, um solche Projekte zu stemmen. Diese Unternehmen haben andere Prioritäten: Effiziente Terminplanung, ein besserer Überblick über die Lagerbestände oder die Automatisierung von administrativen Aufgaben wie Abrechnungen und Berichterstattungen.

Ein zentraler Aspekt ist, dass laut KfW Research Deutschland im internationalen Vergleich bei der Erforschung und Nutzung digitaler Technologien hinterherhinkt. Trotz eines Anstiegs bei wissenschaftlichen Publikationen und Patentanmeldungen bleibt Deutschland weit hinter Ländern wie China und den USA zurück. Auch bei den IT-Investitionen ist Nachholbedarf vorhanden: Deutsche Unternehmen investieren nur 1,4 % des Bruttoinlandsprodukts in IT – ein Wert, der seit Jahren stagniert. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Innovationskraft des Mittelstands aus, auch wenn die Pandemie die Digitalisierungsausgaben um 35 % gesteigert hat.

Erkenntnisse aus aktuellen Studien: Die Herausforderungen der Digitalisierung für KMU

Das Mittelstand-Digital Zentrum Berlin betont, dass die Digitalisierung eine zentrale Herausforderung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) darstellt. Sie bietet enorme Chancen zur Effizienzsteigerung und Innovation, aber viele KMU stehen vor großen Hürden. Aktuelle Studien wie der Digitalisierungsindex 2023, der KfW-Innovationsbericht 2023, die DIHK-Digitalisierungsumfrage 2023 und das Kompetenzbarometer des IW zeigen ein komplexes Bild:

Der Digitalisierungsindex 2023 verdeutlicht, dass der Fortschritt in der Digitalisierung ins Stocken geraten ist, besonders bei kleinen Unternehmen. Organisatorische und strukturelle Hürden verlangsamen die Einführung neuer Technologien.

Der KfW-Innovationsbericht 2023 hebt hervor, dass die Innovationsaktivitäten im Mittelstand stagnieren. Viele KMU verlieren an Innovatoren, was ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnte.

Die DIHK-Digitalisierungsumfrage 2023 zeigt, dass Unternehmen ihre Digitalisierung oft nur als „befriedigend“ bewerten. Der Einsatz von KI nimmt jedoch zu: 24 % mehr Unternehmen planen oder nutzen KI-Technologien. Die größten Hürden bleiben Zeitmangel und rechtliche Unsicherheiten.

Das Kompetenzbarometer des IW zeigt einen zunehmenden Fachkräftemangel, insbesondere in digitalisierten Berufen, was die Implementierung fortschrittlicher Technologien erschwert.

KI im Mittelstand: Potenziale und Herausforderungen

Insbesondere der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wächst stark. Die OECD hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, die das deutsche KI-Ökosystem untersucht und zeigt, dass Deutschland in der KI-Forschung weltweit führend ist. Allerdings hinkt die praktische Anwendung in Unternehmen oft hinterher, vor allem aufgrund des Mangels an qualifizierten Fachkräften und der Risikoaversion vieler KMU.

Eine SWOT-Analyse der OECD zeigt: Deutschland ist führend in der KI-Forschung, und der Einsatz von KI für Nachhaltigkeit wächst. Die Umsetzung von KI-Technologien erfolgt aber langsamer als die Forschung, und es fehlt an qualifiziertem Personal. Politische Maßnahmen könnten den Einsatz von KI beschleunigen und die Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Digitalisierung beginnt nicht immer an der Spitze

Die Relevanz von Digitalisierung für Unternehmen liegt oft nicht im Zugang zu den neuesten Technologien, sondern im schrittweisen Aufbau einer effizienten und flexiblen digitalen Infrastruktur. Unternehmen im deutschen Mittelstand stehen vor erheblichen Herausforderungen, aber auch vor großen Chancen. Es ist wichtig, den Fokus nicht nur auf Spitzeninnovationen zu legen, sondern auch die grundlegende digitale Transformation voranzutreiben. Die Erkenntnisse aus den aktuellen Studien bieten einen klaren Fahrplan, wie KMU ihre Digitalisierung trotz Hindernissen vorantreiben können.

Autor: Carsten Neugrodda, KVD Geschäftsführer

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