
Wenn ich mit Fachkräften aus dem technischen Service in unseren Mitgliedsunternehmen spreche, wird mir immer wieder eines klar: Der Zugang zu den richtigen Informationen im richtigen Moment entscheidet oft darüber, ob ein Einsatz erfolgreich verläuft oder nicht. Was viele Unternehmen noch unterschätzen, ist die Bedeutung der Technischen Dokumentation als Partner des Service. In der Praxis zeigt sich: Erst durch eine enge Zusammenarbeit dieser beiden Bereiche lassen sich Effizienz, Servicequalität und Kundenzufriedenheit nachhaltig verbessern. Schauen wir einmal darauf, was in Service-Organisationen in dieser Hinsicht besser laufen muss.
Erster Schritt (ohne den geht’s nicht): Zusammenarbeit statt Silodenken
In vielen Organisationen arbeiten Service und Dokumentation noch immer isoliert voneinander. Dabei könnte gerade eine enge Verzahnung beider Disziplinen immense Vorteile bringen. Die Serviceteams verfügen über unmittelbare Kundenerfahrungen und wissen, welche Informationen in der Praxis wirklich benötigt werden. Technische Redakteure wiederum verstehen es, komplexe Inhalte strukturiert und verständlich aufzubereiten.
Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist daher nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Wenn beide Seiten ihr Wissen frühzeitig und kontinuierlich austauschen, entsteht eine dynamische Wissensbasis, die die gesamte Organisation stärkt.
Informationen müssen als Produktivfaktor erkannt werden
Technische Informationen sind im technischen Service, den wir im KVD betrachten, beileibe kein Beiwerk – sie sind vielmehr ein zentraler Produktivfaktor. Ohne die richtigen Informationen können Serviceeinsätze nicht effizient durchgeführt werden. Laut dem „Insight-Report Service 2023“, den wir zusammen mit kothes sowie unseren Partnerverbänden SKDV und KVA als DACH-Studie veröffentlicht haben, verbringen Servicetechniker bis zu zwei Stunden täglich mit der Suche nach relevanten Dokumenten. Das ist Zeit, die für produktive Arbeit fehlt, und das kann sich heute keine Service-Organisation mehr erlauben.
Besonders gravierend ist das im Maschinen- und Anlagenbau, wo Informationsverluste häufig zu Maschinenstillständen und teuren Folgebesuchen führen. Die Ursachen sind bekannt: fehlende digitale Plattformen, unzureichende Verschlagwortung, mangelnde Transparenz darüber, wo Informationen abgelegt sind.
Es braucht digitale Lösungen für echte Probleme
Die Lösung liegt in der Digitalisierung und dem intelligenten Informationsmanagement. Dienstleister benötigen zentrale, mobil verfügbare Informationsplattformen mit durchdachter Struktur. Ob über Inhaltsverzeichnisse, Stichwortsuche oder Facettensuche: Service-Experten im First-, Second- oder sogar Third-Level sowie natürlich vor Ort beim Kunden müssen die Inhalte intuitiv und schnell finden können.
Der Aufwand lohnt sich: Eine verbesserte Informationsverfügbarkeit führt nachweislich zu höheren First-Time-Fix-Rates, geringerer Fehlerquote und zufriedeneren Kunden. Das wiederum zahlt direkt auf den Unternehmenserfolg ein.
Eine der größten Herausforderungen ist, dass wertvolles Erfahrungswissen oft in den Köpfen einzelner bleibt. Laut des schon erwähnten Reports nutzen 90 % der Service-Techniker eigene Notizen zur Lösung von Problemen, doch nur wenige teilen dieses Wissen systematisch mit anderen. Hier sind Feedbackmechanismen gefragt, mit denen Rückmeldungen aus dem Feld direkt in die Technische Dokumentation einfließen.
Auch Schulungen sind ein zentraler Hebel: Wenn Technische Redakteure gezielt Materialien und Trainings für den Service entwickeln, steigt die Nutzung und Wirksamkeit der vorhandenen Informationen erheblich. Das muss dann noch nachhaltig vermittelt werden – eine wichtige Aufgabe für interne wie auch externe Trainingsanbieter.
Künstliche Intelligenz als Unterstützer
„KI kann helfen“ – das hören wir aktuell immer wieder und zu jeder Gelegenheit. Aber hier passt es wirklich, denn sie kann bestehende Inhalte besser strukturieren, fehlende Informationen erkennen und Vorschläge für neue Inhalte machen. Wichtig ist jedoch, dass solche Systeme Teil einer übergreifenden Wissensstrategie sind und professionell implementiert werden, Stichwort Wahrheit vs. Wahrscheinlichkeit.
Nur wenn Redakteure, Servicetechniker und IT gemeinsam an einem Strang ziehen, kann KI ihr Potenzial entfalten. Dabei geht es nicht darum, menschliches Wissen zu ersetzen, sondern vorhandenes Know-how optimal zu ergänzen.
Am Ende stellt sich die Frage: Wer ist verantwortlich für den Aufbau eines funktionierenden Informationssystems? Klar ist: Die Pflege und Weiterentwicklung von Serviceinformationen sollte nicht nebenbei erfolgen. Es braucht Profis, die Inhalte gezielt recherchieren, aufbereiten und überprüfbar machen – am besten im engen Schulterschluss mit dem Service.
Wer diesen Weg geht, schafft eine Informationskultur, die die Herausforderungen von Digitalisierung, Fachkräftemangel und wachsenden Kundenansprüchen proaktiv adressiert.
Autor: Carsten Neugrodda, KVD Geschäftsführer