Klischees und Rollenbilder begleiten uns in nahezu allen Lebensbereichen – und der Arbeitsplatz bildet hier keine Ausnahme, schon gar nicht im Service. Besonders häufig betreffen diese Zuschreibungen das äußere Erscheinungsbild: Kleidung, Make-up und generelles Auftreten. Wie entstehen solche Erwartungen, welche Auswirkungen haben sie, und wie kann eine Organisation klare, faire Normen schaffen, die Vielfalt und Individualität respektieren?
Die gängigen Klischees in Bezug auf das äußere Erscheinungsbild
Schauen wir zunächst auf die altbekannten Klischees, die uns begegnen, vor allem natürlich im Büroumfeld, also zum Beispiel im Call Center, im Projektgeschäft oder im Service-Management. Im klassischen technischen Service ist es sicher noch einmal etwas anderes, wenn vielfach sowieso Arbeits- oder Dienstkleidung vorgeschrieben ist – oft auch schon aus Sicherheitsgründen.
Zurück zum Büro: Frauen stehen meiner Ansicht nach oft unter dem Druck, ein „gepflegtes“ und gleichzeitig „feminines“ Erscheinungsbild zu präsentieren. Dies umfasst makelloses Make-up, stilvolle Kleidung, jedoch ohne zu auffällig oder extravagant zu wirken. Wird diese Erwartung nicht erfüllt, drohen Vorurteile: Ein „zu natürlicher“ Look kann als unprofessionell oder nachlässig wahrgenommen werden, während ein auffälliges Auftreten als „zu aufdringlich“ oder „unangemessen“ gilt.
Männer hingegen sehen sich oft dem Klischee ausgesetzt, dass sie mit einem konservativen und formellen Kleidungsstil Seriosität und Autorität ausstrahlen müssen. Abweichungen von diesem Bild – etwa bunte Farben, ungewöhnliche Frisuren oder ein „zu legeres“ Outfit – können schnell als mangelnde Professionalität interpretiert werden.
Vermutlich kann sich keiner davon frei machen, dem Kollegen oder der Kollegin schonmal ein gewisses Bild zugeschrieben zu haben. Und vermutlich hat sich auch jeder schonmal eingeengt gefühlt, wenn er auf die Erwartungen und Zuschreibungen im Umfeld getroffen ist. Aber: Diese Erwartungen schränken nicht nur die individuelle Freiheit ein, sondern beeinflussen auch die Wahrnehmung von Kompetenz und Fähigkeit.
Wieviel Anpassung ist in Ordnung?
Eine zentrale Frage aus meiner Sicht ist: Wie viel Anpassung an solche äußeren Erwartungen ist wirklich notwendig? Gerade Frauen stehen heute immer vor der Herausforderung, eine Balance zu finden zwischen authentischem Auftreten und der Erfüllung gesellschaftlicher Erwartungen. Während einige bewusst versuchen, diese Klischees zu umgehen, passen sich andere an, um berufliche Vorteile zu sichern oder Konflikte zu vermeiden.
Ich finde: Die Entscheidung für oder gegen eine Anpassung sollte immer auf freiwilliger Basis erfolgen. Niemand sollte sich verpflichtet fühlen, bestimmte Normen zu erfüllen, um beruflich akzeptiert zu werden. Doch die Realität zeigt, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich gezwungen sehen, in bestimmten Grenzen zu agieren.
Wer legt diese Klischees fest?
Mit den Klischees müssen wir leben. Denn sie gibt es vielfach schon lange, sind über Jahre oder Jahrzehnte entstanden und haben sich verfestigt. Die Entstehung von Klischees zum äußeren Erscheinungsbild hat schließlich auch tief verwurzelte gesellschaftliche und kulturelle Ursachen. Medien spielen eine entscheidende Rolle, indem sie einheitliche und oft unrealistische Standards präsentieren. Hinzu kommen historische Rollenbilder, die sich bis heute halten. Am Arbeitsplatz wirken diese Klischees durch unbewusste Vorurteile, unausgesprochene Dresscodes und soziale Normen weiter.
Was ich auch beobachtet habe: Führungskräfte und Unternehmenskulturen tragen ebenfalls zur Verstärkung oder zum Abbau solcher Stereotype bei. Eine bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Erwartungen kann helfen, diese Mechanismen zu durchbrechen.
Mein Lösungsansatz: Klare Normen für Vielfalt schaffen
Wie kann ein Unternehmen oder Team sicherstellen, dass sich alle Mitarbeitenden frei entfalten können? Ein zentraler Ansatz ist für mich, klare, inklusive Richtlinien zu schaffen, die nicht auf oberflächlichen Erwartungen basieren.
Da geht es um gemeinsame Gespräche: Workshops oder offene Diskussionen können helfen, bestehende Dresscodes und Erwartungen zu hinterfragen. Was ist wirklich notwendig, um Professionalität zu wahren, und was basiert auf veralteten Klischees?
Ich bin auch für eine Flexibilität in Dresscodes: Anstatt strikte Vorschriften zu machen, sollten Organisationen Raum für individuelle Vorlieben und kulturelle Unterschiede lassen. Wichtig ist dabei, dass Authentizität nicht als Widerspruch zur Professionalität gesehen wird.
Führungskräfte sind ganz klar Vorbilder: Wenn Vorgesetzte Diversität im Erscheinungsbild vorleben und sich bewusst gegen starre Normen stellen, senden sie ein starkes Signal für Offenheit und Akzeptanz.
Regelmäßiges Feedback ist aus meiner Sicht elementar: Durch Feedback-Runden können Teams sicherstellen, dass sich niemand aufgrund seines Aussehens oder Auftretens benachteiligt fühlt. Diese Gespräche sollten immer auf Augenhöhe stattfinden.
Mein Appell
Klischees in Bezug auf Kleidung, Make-up und äußeres Auftreten sind allgegenwärtig, doch sie müssen nicht akzeptiert werden. Unternehmen und Teams haben die Möglichkeit, ein Umfeld zu schaffen, in dem Vielfalt geschätzt wird und starre Erwartungen keine Rolle spielen. Indem Organisationen diese Themen aktiv angehen, können sie nicht nur individuelle Freiheit fördern, sondern auch zu einer gerechteren Arbeitskultur beitragen. Das fördert auch die Mitarbeitendenzufriedenheit und -motivation in der Service-Organisation – und überträgt sich auch direkt auf den Kunden.
Autorin: Alexandra Engeln, Leitung Marketing & Kommunikation