Skip to main content
search

Die Logistik- und Produktionsbetriebe stehen im Personalbereich vor zwei Herausforderungen. Zum einen wird es immer schwieriger aufgrund der demografischen Entwicklung neue Mitarbeiter zu finden. Zum anderen sind die Betriebe aus diesem Grund und einem vermutlich weiterhin  steigenden Rentenalter immer mehr auf das vorhandene Personal angewiesen. Das durchschnittliche Erwerbstätigenalter in Deutschland wird dabei weiterhin ansteigen. Daher werden die Betriebe Lösungen benötigen, welche die Belegschaft bis zur Rente gesund und leistungsfähig erhalten können. Die Herausforderung stellen die Shopfloor-Arbeitsplätze in Logistik und Produktion dar, mit ihren häufig einseitig belastenden und teilweise ergonomisch nicht auf eine Dauerbelastung (über viele Jahre) ausgelegten Arbeiten. Für die Mitarbeiter ist es eine besondere Herausforderung es bis zur Rente zu schaffen. Wie könnte ein für beide Seiten sinnvoller Lösungsansatz aussehen?

Zur Reduktion der Belastungen hat sich, insbesondere in der Automobilindustrie bei kurzgetakteter Fließbandarbeit, ein systematisch geplanter Personalwechsel im Stundenzyklus bewährt. In mittelständischen Produktions- und Logistikbetrieben ist die Arbeitsplatz-Rotation jedoch aufgrund des hohen Planungs- und Qualifizierungsaufwandes kaum verbreitet. Des Weiteren legt die übliche Rotationsplanung keinen Fokus auf die  ganzheitlichen Belastungswechsel unter Berücksichtigung der aktuellen Stärken und Schwächen der Mitarbeiter.

Beanspruchungsgerechte Job-Rotation

Diese Defizite sollen im Forschungsprojekt proRotation beseitigt werden. Dazu wird eine Systematik zur beanspruchungsgerechten und aufwandsarmen Rotation ausgearbeitet, die speziell in mittelständischen Betrieben mit teilweise einsatzeingeschränkten Mitarbeitern angewendet werden kann. Besonderer Fokus liegt dabei auf einer ganzheitlichen Erfassung der von den Mitarbeitern empfundenen Belastungen (Beanspruchungen) und deren Berücksichtigung bei der Planung der Arbeitsplatzwechsel. Ziel ist ein gezielter Belastungswechsel, um einseitige Überlastungen zu vermeiden. Die Systematik besteht aus einem Fragebogen zur aufwandsarmen Erhebung der subjektiven Beanspruchungen und einer Vorgehensweise zur aufwandsarmen Einführung der Rotation. An diesen Lösungen arbeiten in dem Forschungsprojekt zwei  Anwenderunternehmen (ein mittelständischer Produktionsbetrieb mit innerbetrieblicher Logistik und ein mittelständischer Logistikdienstleister), zwei Forschungsinstitute und eine Anwaltskanzlei. Als Grundlage für die Beschreibung des Lösungsansatzes, der in dem Forschungsprojekt proRotation verfolgt wird, müssen wir kurz die Begriffe Belastungen und Beanspruchungen klären. Belastungen sind Faktoren oder Anforderungen, die von außen auf den Menschen einwirken. Zum Beispiel wenn ein schwerer Gegenstand aufgehoben wird. Das Gewicht, d.h. die Anforderung wäre objektiv messbar. Die Beanspruchung ist die individuelle und subjektiv empfundene Wirkung der Belastung auf die Person. Je nach den Fähigkeiten der Person fällt die Beanspruchung höher oder geringer aus. Eine starke Person wird durch das gleiche Gewicht weniger beansprucht als eine schwache Person. Viele Belastungen haben für durchschnittliche Personen Grenzwerte und sind zwar objektiv messbar, aber nur mit einem sehr hohen Aufwand. Doch was nützt die objektive Messung der Belastungen, die für normale gesunde Mitarbeiter relevant sind, wenn wir zunehmend ältere und leistungseingeschränkte Mitarbeiter in den Betrieben haben, die nicht dem Durchschnitt entsprechen? Als Lösungsansatz gilt es die Job-Rotation so zu gestalten, dass die Mitarbeiter sich nach dem Arbeitsplatzwechsel von den bisherigen einzelnen hohen Belastungen erholen können. Daher wurde im Projekt eine Kriterien-Liste mit 46 Beanspruchungen ausgearbeitet, die durch eine einfache Befragung der Mitarbeiter aufwandsarm zu erheben sind. Dabei ist die Liste ganzheitlich zusammengesetzt aus physischen, psychischen und Umgebungs-Beanspruchungen. Im ersten Schritt werden vom Projektteam, die für das jeweilige Unternehmen relevanten Kriterien ausgewählt und nur diese werden erhoben. Im zweiten Schritt werden die Mitarbeiter in einem Erhebungszeitraum von wenigen Wochen jeweils am Ende eines Arbeitstages befragt, wie hoch sie sich an ihrem Arbeitsplatz beansprucht fühlen. Die Höhe der Beanspruchung reicht von „grün“ (keine Probleme) über „gelb“ (leicht anstrengend) und „orange“ (sehr anstrengend) bis „rot“ (nur mit großer Anstrengung). Im dritten Schritt wird der Mittelwert jeweils für alle erfassten Beanspruchungen für einen Arbeitsplatz berechnet. Zunächst wird der Mittelwert je Beanspruchung für einen Mitarbeiter im Erhebungszeitraum (Mitarbeiterprofil für diesem Arbeitsplatz) berechnet. Anschließend wird für einen Arbeitsplatz der Mittelwert über alle Mitarbeiter, die an diesem Arbeitsplatz gearbeitet haben, berechnet (Arbeitsplatzprofil). Die Arbeitsplatzprofile lassen sich gegenüberstellen und Profilpaare bilden, bei denen sich hohe Beanspruchungswerte mit niedrigen Beanspruchungswerten ausgleichen. Aus den Arbeitsplatz-Paaren lassen sich Tages-Sequenzen für Arbeitsplatzwechsel bilden bei denen sich über den Tag hohe Beanspruchungen mit niedrigen Beanspruchungen abwechseln und die Mitarbeiter damit einen Belastungs- bzw. Beanspruchungswechsel erfahren. Wenn man die Arbeitsplatzprofile für die verschiedenen Produktions- und Logistikbereiche in einem Unternehmen aus dem Forschungsprojekt gegenübergestellt, erkennt man, dass wenn die Mitarbeiter an einem Tag in alle drei Bereiche rotieren, es mindestens in einem Bereich am Tag zu einer geringen Beanspruchung kommt. Mit dieser Erkenntnis werden aktuell im Projekt in beiden Unternehmen beanspruchungsgerechte Rotationspläne ausgearbeitet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden im weiteren Projektverlauf in eine allgemeingültige Vorgehensweise zur Planung und Betrieb einer Rotation eingearbeitet. Nach den aktuell stattfindenden umfangreichen Schulungen der Mitarbeiter für die Arbeitsplätze, auf die sie zukünftig rotieren sollen, wird es vor einer mehrfachen Rotation an einem Tag, mehrere Phasen mit einzelnen Probe-Rotationen auf nur einen anderen Arbeitsplatz pro Tag geben, um die Mitarbeiter nicht zu überfordern und um umfangreich und in kleinen Schritten zu testen, ob jeder Mitarbeiter wirklich ausreichend geschult wurde.

Förderhinweis

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren: Stefanie Findeisen, Oliver Scholtz, Dirk Marrenbach (Fraunhofer IAO).

Close Menu