Augmented Reality, Virtual Reality, Self-Services – es gibt immer mehr Möglichkeiten, direkte Service-Einsätze vor Ort zu verringern oder zu vermeiden. Das hat auch Einfluss auf den Einsatz von Service-Technikern – vom Field Service Management bis zur Logistik von Ersatzteilen. Wie wird sich dieses Feld entwickeln? Dazu liefert das KVD TrendRadar 2023 einige Antworten.
Vor allem Künstliche Intelligenz steht heute bei vielen Organisationen und Unternehmen auf der Agenda – das macht die Trendthemen Virtual und
Augmented Reality fast schon vergessen. AR / VR entwickeln sich gefühlt zum Bestandteil des Standard-Repertoires für Serviceeinsätze. Die Ergebnisse des KVD TrendRadars zu diesem Themenkomplex unterstreichen das in gewisser Weise. Mit der These 5 „Bis 2030 werden ein Drittel der Serviceeinsätze vor Ort durch den Einsatz von Virtual oder Augmented Reality inkl. Videosupport vom Kunden übernommen“ wurde die Bedeutung von AR / VR abgefragt.
Einsatz von AR / VR
Es zeigt sich: Die Mehrheit der Befragten sieht die These als realistisch an und stimmt mit rund 70 Prozent zu. Dies verändert damit das Ergebnis des Vorjahres (72 Prozent) kaum. Hervorzuheben ist, dass die Zustimmung trotz der Konkretisierung auf ein Drittel aller Serviceeinsätze, die durch VR oder AR erfolgen, konstant bleibt. Dies zeigt, dass Unternehmen große Hoffnungen in den Einsatz dieser Technologien setzen und diese als realistisch einschätzen. VR und AR sollen helfen, die Nachhaltigkeit der Unternehmen durch weniger Wartungseinsätze vor Ort zu steigern und somit den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Dabei ist zu beachten, dass der Einsatz dieser Technologien je nach Einsatzgebiet unterschiedlichen Anforderungen unterliegt. Die Potenziale sieht auch KVD-Beirätin Andrea Grosse, Geschäftsführerin der Just 4 People GmbH. „Technologien wie VR / AR machen viele Vororteinsätze von Servicetechnikern überflüssig und können effizienter über Remote Support gelöst werden. Dies ist eine Möglichkeit, in Zeiten von fehlenden Fachkräften im Service, dem entgegen zu wirken.“
An den Erfolg dieser Technologien glaubt auch KVD-Beirat Tobias Theile, Senior Projektleiter Digitales Innovationsmanagement bei der Deutschen
Bahn AG: „Viele VR und AR Anwendungen haben heute noch den Ruf von Spielerei. Wenn aus Spielerei aber Verspieltheit wird, werden wir diese immersiven Technologien in vielen Bildungs- und Servicethemen finden.“ Tobias Theile glaubt, dass sich die Menschen an immer leichtere Brillen
gewöhnen, und dass die Handy- und Tabletnutzung für AR immer effizienter wird: „Remote Assist Anwendungen helfen massiv im Rahmen des
Fachkräftemangels“, sagt er, und berichtet aus seiner Praxis: „Auch bei der Deutschen Bahn untersuchen wir aktuell, wie wir Augmented Reality nutzen können, wenn Züge auf der Strecke eine Störung haben. Ziel muss es sein, dem Personal auf dem Zug durch Hilfe von außen unmittelbar zu helfen und die Reisenden schnell ans Ziel zu bringen.“ Die industrielle Instandhaltung ist also als eines der bekanntesten Einsatzgebiete von AR und VR anzusehen.
Das sieht auch KVD-Vorstand Ralf Borchardt, Manager Operations bei der TOP Mehrwert-Logistik GmbH & Co. KG: „Mit Blick auf die demografischen Entwicklungen und den immer akuteren Fachkräftemangel bieten neue Technologien Chancen, Serviceeinsätze effizienter zu gestalten und damit die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen. In den Fokus sollte man hier insbesondere auch die Erschließung neuer Qualifikationsmöglichkeiten für eigene Servicekräfte und Kund:innen nehmen.“
Wartungen und Reparaturen über Self-Services?
Self-Services sind in den letzten Jahren zu einem wichtigen Kundenkontaktelement geworden – im B2C- wie auch im B2B-Umfeld. Auch wenn die
Bedeutung immer größer wird – wird der Anteil an Self-Services mittelfristig höher sein als der von klassischen Services? Dieses kontroverse Spannungsfeld fragen wir mit These 8 des KVD TrendRadars ab: „Für Servicefälle wird bis 2030 der Anteil von Self-Services höher sein als der von klassischen Services.“ Wie im Vorjahr sind die Befragten bei dieser These gespalten. Rund 37 Prozent stimmen der Aussage „eher nicht“ bis „ganz und gar nicht“ zu. Ein generelles Wachstum bis 2030 ist sicher erwartbar. KVD-Beiratsvorsitzender Wolfgang Theisen, Director Technical Services bei der Toshiba Tec Germany Imaging Systems GmbH, glaubt allerdings ebenfalls nicht, dass damit Self-Services den Anteil klassischer Services
übertreffen. „Grund dafür ist, dass Self-Services eher bei administrativen Serviceanfragen unterstützen können. Aber wenn wir an komplexe Maschinen und Anlagen denken, bei denen selbst für erfahrene Servicetechniker:innen zum Teil die Identifikation von Störungen eine Herausforderung ist, dann sind doch Tutorials oder den Einsatz von AR oder VR derzeit immer noch eine eher unzureichendes Instrument – obwohl sich die Qualität und der Nutzwert in den letzten Jahren deutlich erhöht haben. Da je nach Branche umfangreiche Serviceeinsätze einen hohen Anteil haben, wird der Anteil klassischer Services in vielen Fällen höher sein als jener von Self-Services.“ Trotzdem bieten Self-Services natürlich Chancen wie Kosteneinsparungen und Entlastungen des Servicepersonals für weniger komplexe Anliegen. Speziell in Zeiten des Fachkräftemangels können so die ohnehin raren Ressourcen effizienter genutzt werden. KVDBeirat Thorsten Schlüter, Vice President Customer Service bei der Körber Pharma Packaging Machines GmbH, sieht in diesem Zusammenhang einen wichtigen Faktor in Künstlicher Intelligenz: „Mit dem Einsatz von KI im Serviceumfeld und der Qualifizierung der Mitarbeitenden bei den Kund:innen wird der Self-Service steigen. Somit kann in Fall eines Maschinenstillstandes das defekte Ersatzteil zeitnah ersetzt werden.“