Corona hat für viele Arbeitnehmer:innen die Arbeitsbedingungen verändert, oft radikal. Neue Arbeitssituationen erfordern neue Beurteilungen des Arbeitsplatzes, dazu präventive und rehabilitative Maßnahmen. Was zu beachten ist und wie ein Arbeitnehmer:innenfreundliches Angebot aussehen kann, darüber hat ServiceToday-Redakteur Michael Braun mit Kerstin Hillbrink von der B·A·D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH gesprochen.
Betriebliches Eingliederungsmanagement bietet die Chance, dass Mitarbeitende nach einer längeren Erkrankung wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können – mit entsprechender Unterstützung. Das gesetzlich vorgeschriebene betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) greift bei Mitarbeitenden, die länger als sechs Wochen innerhalb der letzten zwölf Monate erkrankt waren. Unternehmen und Service-Organisationen können hier aber auch schon früher aktiv werden. Das kann im besten Fall lange Ausfallzeiten verhindern und bringt dadurch Vorteile für Beschäftigte und Arbeitgeber, wie Kerstin Hillbrink, Beraterin Gesundheitsmanagement bei der B·A·D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH erläutert. „BEM ist als Teil des Gesundheitsmanagements zu sehen. Es ist so zu verstehen, dass Unterstützung angeboten wird, als eine Möglichkeit, um ins Gespräch zu kommen“, erklärt die Diplom-Psychologin. Im Idealfall werden Erkenntnisse aus den BEM-Verfahren auch für weitergehende Maßnahmen im Arbeitsschutz und im betrieblichen Gesundheitsmanagement genutzt. Dafür müsse die entsprechende Motivation vorhanden sein – bei den Mitarbeitenden wie bei den Unternehmen. „Vertrauen ist ein ganz wesentlicher Faktor, um Offenheit zu erreichen“, sagt sie. Nur dann teilen uns Betroffene mit, welche Faktoren Einfluss auf ihre Gesundheit haben und nur so können wir ganz gezielt etwas für Rehabilitation und Prävention tun. „Wir als externer Anbieter haben da natürlich den großen Vorteil, außerhalb der eigentlichen Organisation zu sein“, erklärt Kerstin Hillbrink. Es gebe eine Schweigepflicht, und vielfach falle es Mitarbeitenden leichter, zu einem externen Ansprechpartner zu gehen, als sich einer Person aus dem eigenen Unternehmen zu öffnen. Die Maßnahmen des BEM können dadurch gezielter ausgewählt werden und erreichen eine höhere Wirksamkeit.
Blick auf die Arbeitsbedingungen
Den Unternehmen und Service-Organisationen empfiehlt sie, ein bis zwei Mal im Jahr eine anonymisierte Betrachtung des übergeordneten BEMProzesses durchzuführen. Manchmal werden dabei Muster gefunden, denen mit Maßnahmen des Arbeitsschutzes begegnet werden kann. „Wir hatten einmal einen Fall bei einem Logistiker, bei dem Mitarbeitende an einem bestimmten Arbeitsplatz immer wieder durch Erkältungen krank ausfielen. Wir haben dann den Arbeitsplatz genau untersucht und festgestellt, dass ein Zugang nicht ganz dicht war, es deswegen zog und die Mitarbeitenden sich erkälteten. Das zu erkennen und daraus etwas ableiten zu können, ist natürlich der Idealfall“, erklärt die Expertin.
Gefährdungsbeurteilung bei neuem Arbeitsplatz-Zuschnitt
Wichtig sei auch eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Um so mehr, weil sich viele Rahmenbedingungen geändert hätten, vor allem auch durch Corona. „Eine Analyse der Arbeitsbedingungen ist relevant, um zu erkennen, welche Rahmenbedingungen vorhanden sind, wie Führung gelebt wird oder welche Arbeitszeiten tatsächlich absolviert werden“, erklärt sie. Die Veränderungen hätten auch mit dem Wandel hin zu Homeoffice-Arbeit zu tun. „Früher haben wir psychische Gefährdungen oder Belastungen durch Konflikte mit Kolleg:innen gesehen, heute ist es eher die Isolation im Homeoffice.“ Oft seien es auch ungünstige Kommunikationsprozesse, die zu Belastungen führen; diese ließen sich aber einfach beheben. Außerdem habe sich die Art der Belastungen geändert. „Und damit müssen auch die Beurteilungen komplett überarbeitet werden“, sagt sie. Diese Beurteilungen seien wiederum wichtig als Basis für das Gesundheitsmanagement: „Gefährdungsbeurteilungen sind ein Analysetool, mit dem ich Maßnahmen entwickeln, gezielt planen und umsetzen kann.“
Anonyme Beratung für Mitarbeitende
Ein weiterer wichtiger Baustein im Gesundheitsmanagement ist aus ihrer Sicht das Employee Assistance Program (EAP), früher auch unter dem Namen Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung bekannt. Dabei handelt es sich um eine psychosoziale Beratung für Beschäftigte, digital oder im persönlichen Gespräch. „Hier können Mitarbeitende mit allen Themen kommen, die ihnen am Herzen liegen. Das sind oft familiäre Themen. Bei Anzeichen von Depressionen oder anderen Erkrankungen wird weitervermittelt ins Therapienetz oder an andere Beratungsstellen.“ Es gebe Unternehmen, die regelmäßig Kontingente buchen, bei Bedarf auch 24/7. Die Buchung alleine reiche allerdings in der Regel nicht. „Es ist unabdingbar, dass diese Maßnahmen gut implementiert und kommuniziert werden. Nur dann werden sie auch wahrgenommen und erfüllen ihren Zweck“, sagt Kerstin Hillbrink.
Info
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