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Offene Grenzen, Globalisierungsbewegungen in Gesellschaft und Wirtschaft, grenzübergreifende Kooperations- und Forschungsprojekte – die Internationalisierung des Service ist in vielen Bereichen zu spüren. Unternehmen können sich nicht nur auf einen regionalen oder nationalen Markt konzentrieren, sondern müssen sich weltweit öffnen. Doch wie geht man als Service-Manager:in hier am geschicktesten vor? Und wie arbeitet man mit den sich abzeichnenden Veränderungen, die sich gerade international durch die Digitalisierung ergeben? In der Serie „Internationales Service-Management“ werden Service-Organisationen mit einem multinationalen Blick vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen neue Strategien und länderspezifische Besonderheiten, die sich im täglichen Service-Geschäft ergeben. Für eine Ausgabe hat unser Redakteur Michael Braun mit Dr. Johannes Wamser von der Dr. Wamser + Batra Holding GmbH, zu der auch die WB Risk Prevention Systems GmbH gehört. Sie unterstützt Unternehmen und Service-Organisationen bei der Vermeidung von und Vorbereitung auf Krisensituationen, der Identifizierung von aktuellen und zukünftigen Problemen, der Prävention von Risiken sowie bei der Bewältigung akuter Krisen und Notfälle.

Michael Braun: Wir erleben im Moment an vielen Orten politische Krisen, verbunden mit kriegerischen oder kriegsähnlichen Auseinandersetzungen. In der Ukraine natürlich, in Nahost. In diesen Gebieten leben aber auch Menschen, agieren Unternehmen und Dienstleister. Wie kann man in dieser Situation unternehmerisch agieren?

Johannes Wamser: Krise ist nicht gleich Krise. Wir arbeiten im Team mit mehreren Experten, die Krisenregion erfahren sind, so muss man sagen. Wir unterscheiden unterschiedliche Reifegrade von regionalen oder geopolitischen oder auch sonstigen Krisen, also beschäftigen wir unterschiedliche Arten von Managern. Christian Altmann bei uns im Team ist zum Beispiel derjenige, der in seiner beruflichen Vergangenheit in Länder geschickt worden ist, in denen man dachte, da könnte etwas passieren. Er war vor den Unruhen in Thailand und auf den Philippinen vor Ort, er war ein Jahr vor der Annexion der Krim durch Russland auf der Halbinsel – er hat also ein Gespür dafür, wie sich in Ländern eine politische oder gesellschaftliche Situation entwickelt. Für Unternehmen – gerade jene, die global unterwegs sind – ist es extrem wichtig, Entwicklungen mitzubekommen, die das eigene Unternehmen und die Mitarbeiter gefährden könnten, um frühzeitig agieren zu können. Menschen haben den Hang dazu, mitunter länger am heimischen Standort zu bleiben, als es die politische oder gesellschaftliche Situation hergibt. Das liegt einfach daran, dass die einheimische Bevölkerung die Situation unterschätzt – und das tun dann häufig auch die Unternehmen, die sich natürlich auf die Aussagen ihrer heimischen Bevölkerung auch verlassen.

Michael Braun: Unternehmen müssen also entkoppelt davon eigenständig entscheiden können?

Johannes Wamser: Ich muss mir selbst einen Plan machen als Unternehmer: Wann ist der Punkt, dass ich Maßnahmen umsetze und nicht noch einen Tag warte? Ich muss als Unternehmen den Sprung wagen, selber aktiv zu werden, auch wenn der Hang da ist, auf bestimmte Leader zu hören. In der Corona-Pandemie haben alle abgewartet, was der Gesundheitsminister sagt. Bei der Evakuierung aus Afghanistan haben alle auf das Auswärtige Amt gewartet. Da steckt häufig – gerade in Deutschland – ein falsches Verständnis dahinter. Die Aufgaben des Auswärtigen Amtes sind hier nämlich auf den Notfall ausgerichtet, hat eine diplomatische Mission – da ist es für mich als Unternehmen im Prinzip schon zu spät, um sicher und geordnet agieren zu können, auch mit Blick auf meine Mitarbeitenden natürlich.  Französische Unternehmen, niederländische Unternehmen, Schweizer Unternehmen – sie alle beherrschen das viel besser, weil sie andere Indikatoren betrachten. Wer in Krisenregionen unterwegs ist, hat oft einen Evakuierungskoffer oder Rucksack gepackt, nach dem Prinzip „Wir sind vorbereitet, wir können jederzeit gehen.“ Die entscheidenden Fragen bleiben aber: Wann geht man? Unter welchen Umständen kann ich vor Ort nicht mehr arbeiten? Und vor allem: Wie komme ich im Zweifelsfall aus der Situation oder aus dem Raum? Ich empfehle Unternehmen immer, sich Gedanken über Evakuierungsrouten zu machen. Afghanistan ist hier wieder ein gutes Beispiel: Die deutschen Unternehmen hören nicht in die örtliche Community hinein und hören nicht hinein, was andere Unternehmen machen. Die französischen Unternehmen hatten längst evakuiert, bevor es dramatisch wurde. Deutsche Unternehmen stellen erst einmal eine offizielle Anfrage nach Berlin – das ist zu unflexibel und zu langsam. Die gleiche Erfahrung haben wir in der Ukraine gemacht.

Michael Braun: Dort haben Sie die Entwicklung auch anders bewertet?

Johannes Wamser: Natürlich hat keiner von uns genau das Datum gewusst, an dem die Invasion begann. Aber ungefähr 14 Tage vor dem Beginn hat sich unser französischer Militär-Experte gemeldet und mitgeteilt, dass in der Militär Community gerade die Alarmpläne auf rot geschaltet wurden, heißt: ‚Wir gehen davon aus, dass es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen wird, nicht vielleicht, sondern es wird kommen.‘ Warum ist er auf die Idee gekommen? Er hat erkannt, dass die Russen bestimmte Sanitätskontingente an die russisch-ukrainische Grenze verlagern. Das ist so schwierig und so teuer, das macht man nicht für eine Manöver-Übung, sondern wenn man davon ausgeht, dass man wirklich verletzte Soldaten haben wird. Wir sind dann entsprechend an Unternehmen herangetreten und haben unsere Einschätzung mitgeteilt. Es gibt Unternehmen, die dann klug agieren, ihre Mitarbeitenden aus der Region abziehen und in Sicherheit bringen. Natürlich gibt es keine Gewissheit, dass etwas passiert – aber das ist auch nicht schlimm, denn im schlimmsten Fall schicke ich die Mitarbeitenden einige Tage später wieder zurück, falls sich die Lage entschärfen sollte. Natürlich hat keiner von uns eine Glaskugel und kann die Zukunft vorhersagen, aber wir können Planspiele machen und Situationen modellieren. Übrigens auch bezogen auf die Auswirkungen von Konflikten, zum Beispiel dass den Niederlanden durch den Ukraine-Konflikt mehrere tausend Lkw-Fahrer fehlen, weil diese jetzt im Krieg kämpfen.

Michael Braun: Lässt sich das auch unternehmensintern organisieren?

Johannes Wamser: Das muss es sogar. Unternehmen haben keinen Krisenstab. Die haben zwar etwas eingerichtet, das sich Krisenstab nennt, das ist dann aber ein Team, das sich im Fall Geschäftsführer und Abteilungsleiter, also die normale Regel-Organisation. Darin liegt der erste Fehler, das war bei Corona übrigens auch schon so. Diese Besetzung ist eine Fehlentscheidung, denn die Geschäftsführung oder die anderen Führungskräfte haben die Aufgabe, das Unternehmens in der Krise weiter zu führen. Sie treffen wirtschaftliche und strategische Entscheidungen. Man muss das trennen: Es gibt die operative Geschäftsführung – und sie bleibt auch weiter der aktive Part. Sie soll sich darum kümmern, dass Unternehmen weiter Kunden gewinnen, dass Löhne bezahlt werden und vieles mehr. Dann braucht es ein Team, das Kontakt hält zu anderen Unternehmen, das auf Entwicklungen achtet, im Austausch bleibt. Und dann gibt es Ansprechpartner im eigenen Unternehmen, die sich wirklich mit der Krise auseinandersetzen können; die total engagiert darin sind, Themen zu recherchieren, die aus dem beruflichen Kontext möglicherweise einen besonderen Blick auf die Dinge haben, oder die im Ehrenamt unterwegs sind, zum Beispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim THW. Menschen also, die sich im Ehrenamt schon mit Krisen oder gefährlichen Situationen auseinandersetzen und wissen, was in brenzligen Situationen zu tun ist.

Michael Braun: Welche Herausforderungen gibt es dann bei der Weitergabe der Informationen?

Johannes Wamser: Das ist im Prinzip der wichtigste Punkt: Krisen-Kommunikation. Wie gebe ich ein Thema nach außen weiter, gegebenenfalls an Angehörige, an Behörden, eben an die Öffentlichkeit? Das hat in der Corona-Krise weder bei Unternehmen noch bei der Politik funktioniert. Ich sollte darauf vorbereitet sein, dass ich irgendwo zu einem bestimmten Datum irgendwas nach innen und außen kommunizieren muss. Das kann man vorbereiten – und im Zweifelsfall nur noch anpassen, falls nötig. Da gilt es, einen klaren Kopf zu behalten, eine klare Sprache zu sprechen. Im Extremfall kann das schwer fallen, man ist vielleicht von Angst getrieben. Aber das kann man wie gesagt vorbereiten – und trainieren. Das betrifft übrigens nicht nur Krisen, von denen wir hier gesprochen haben, sondern auch interne Krisen. Da ist Transparenz und Schnelligkeit oft besser, bevor man vor einem unlösbaren PR-Desaster steht.

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