Aus der Technik kennen wir den Begriff der Interoperabilität, der die Fähigkeit zum Zusammenspiel verschiedener Systeme, Techniken oder Organisationen beschreibt. Diese Interoperabilität wird in der Regel durch die Einhaltung gemeinsamer technischer Standards und Normen ermöglicht. Normen gewährleisten in unserem täglichen Alltag beispielsweise, dass die Stecker eines neu gekauften Elektrogerätes auch in die Steckdose unserer Wohnung passen, ohne dass wir dies im Vorfeld ausprobieren müssen, oder das unterschiedliche Programme auf unserem Computer in der Lage sind, miteinander Daten auszutauschen. Eine solche Interoperabilität im Sinne einer effizienten Zusammenarbeit wünschen wir uns auch bei Serviceleistungen. Auch hierbei können Standards und Normen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass diese Zusammenarbeit (Interoperabilität) möglichst optimal erfolgen kann.
Im Bereich der Industriellen Services handelt es sich hauptsächlich um sogenannte Instandhaltungsleistungen an den Maschinen und Produktionsanlagen der jeweiligen Kunden. Diese können grundsätzlich von einer innerbetrieblichen Instandhaltungsabteilung oder von einem externen Service-Anbieter, entweder dem Kundendienst des Anlagenherstellers oder einem Industrieservice-Unternehmen erbracht werden. Ganz gleich, wer letztlich diese Leistungen erbringt, handelt es sich um Instandhaltungen an der Anlage. Insofern erscheint es ratsam, das Gebiet der industriellen Instandhaltung möglichst weit zu standardisieren, damit die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure dabei reibungsfrei erfolgt.
Aus diesem Grund hat der DIN-Arbeitsausschuss NA 15-04-01 AA „Instandhaltung“ des Normenausschusses Dienstleistungen (NADL) in den letzten Jahren etliche Normen auf dem Gebiet der Instandhaltung herausgegeben, u. a. zur Terminologie, Dokumentation, zu Vertragsbeziehungen, Leistungskennzahlen und zur Qualifizierung für die Instandhaltung.
Mit seiner objekt-unabhängigen und sektoren-übergreifenden Aufgabenstellung erarbeitet der DIN-Arbeitsausschuss Instandhaltung überwiegend horizontale Normen, die von allgemeingültigem Charakter für die Instandhaltung sind und in denen keine speziellen Anforderungen an konkrete Maschinen oder Anlagen genannt werden. Wesentlicher Normungsgegenstand des Arbeitsausschusses sind daher Grundprinzipien, Grundkonzepte und Terminologien, die für uns eine Reihe unterschiedlicher Maschinen, Anlagen und sonstigen technischen Objekten anwendbar sind.
Ziel der aktuellen Grundlagennormen der Instandhaltung ist es nicht, konkrete Instandhaltungsleistungen zu standardisieren. Dies wäre aufgrund der Komplexität und Heterogenität solcher technischen Services wohl auch kaum möglich. Vielmehr sollen die Normen der Instandhaltung die Grundlage schaffen, damit technische Services möglichst effizient und ohne Reibungsverluste in der Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Kunden durchgeführt werden können. Exemplarisch sollen nachfolgend drei aktuelle Normen dieses Ausschusses hervorgehoben werden.
Digitale Lebenslaufakte
Eine zentrale Rolle bei technischen Services spielen die Informationen rund um die Anlage oder Maschine, an der die Services erbracht werden sollen. Daten zur Konstruktion wie auch Betriebsdaten und Daten zu bisherigen Instandhaltungsleistungen können elementar für die erfolgreiche Erbringung von technischen Service sein. Leider liegen diese Daten einer Anlage oft in verschiedenen Systemen und Formaten vor, die zudem noch von den unterschiedlichen Unternehmen (Hersteller, Betreiber, Dienstleister) vorgehalten werden. Mit der neuen Norm DIN 77005 sollen nun die Grundlagen für den Aufbau und Verwaltung solcher Digitaler Lebenslaufakten standardisiert werden. Dies ermöglicht es, dass alle relevanten Informationen zu einem Objekt alle berechtigten Partner zur Verfügung stehen.
Sämtliche bislang erfolgten Service-Einsätze und Modifikationen an einer Anlage können in einer solchen Lebenslaufakte nach DIN 77005 einheitlich nachgewiesen werden. Dies ist insbesondere für die Ersatzteilbewirtschaftung der jeweiligen Anlage von großer Bedeutung. Die Lebenslaufakte dokumentiert dabei nicht nur den bislang erfolgten Austausch von Komponenten, sondern ermöglicht auch die stets richtige Identifizierung und Bestellung der benötigten Ersatzteile. Letztlich kann eine Lebenslaufakte auch zur Erkennung von Obsoleszenzrisiken bei Ersatzteilen dienen und so einen Beitrag für ein proaktives Obsoleszenzmanagement leisten.
Instandhaltungsprozesse
Eine weitere zentrale Norm im Bereich der Instandhaltung ist die DIN EN 17007, in der die wesentlichen Prozesse der Instandhaltung einschließlich ihrer Unterstützungsprozesse beschrieben werden. Diese allgemein gehaltenen Prozessbeschreibungen können z. B. als vergleichbare Referenzprozesse bei der Ausgestaltung einer Zusammenarbeit zwischen einer betrieblichen Instandhaltung und einem Service-Anbieter herangezogen werden. Auch diese Norm kann somit einen wertvollen Beitrag für die effiziente Zusammenarbeit im technischen Service liefern.
Qualifikation des Personals
Als drittes Beispiel für die Nützlichkeit von Normen im technischen Service sei die DIN EN 15628 genannt, in der die erforderliche Qualifikation des Personals für Instandhaltungsleistungen umfassend dargelegt wird. Für technische Services sind die Kompetenzen der Service-Mitarbeiter:innen von entscheidender Bedeutung. Doch leider werden diese bei der Beschreibung der Zusammenarbeit oftmals nur unzureichend berücksichtigt. Die DIN EN 15628 nennt hierzu detailliert die Kompetenzen, Mindestfähigkeiten und -fertigkeiten sowie wesentliche Kenntnisse, über die das Service-Personal verfügen sollte, um erfolgreich technische Services erbringen zu können.
Beitrag des technischen Service zur Nachhaltigkeit
Spätestens mit dem European Green Deal und dem Klimaschutzgesetzt 2021 hat die Politik erste Rahmenbedingungen auch für eine stärkere Nachhaltigkeit der Industrie gesetzt, die einen deutlichen Einfluss auf die Normungsarbeit auch für den Bereich der Instandhaltung und des Service haben. Für eine umfassende Kreislaufwirtschaft spielt die Instandhaltung mit ihren lebensverlängernden Maßnahmen eine zentrale Rolle. Im Rahmen der aktuellen Normungsinitiativen wird daher verstärkt auch in Normen und Standards gefordert, dass die Instandhaltbarkeit von Anlagen und Maschinen schon im Design der Anlage zu berücksichtigen ist. Grundsätzliche Anforderungen hierzu werden in der internationalen Norm DIN IEC 60300-3-10 beschrieben.
Die in diesem Beitrag aufgezeigten Beispiele von aktuellen Standards und Normen zeigen, welchen starken Einfluss diese auf das Geschäft der technischen Service haben. Mit den aktuellen Standardisierungsaktivitäten u.a. zur digitalen Lebenslaufakte werden weitere Potenziale geschaffen, um auf Basis dieser Standards neue Service-Geschäfte zu etablieren und damit einen Beitrag zu größeren Nachhaltigkeit zu leisten.
Autor: Prof. Dr. Lennart Brumby | Professor an der DHBW Mannheim
/ KVD SERVICENEWS
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