Keine Frage: Auch nach der Corona-Pandemie bleibt das sog. „remote working“ ein fester Bestandteil der modernen Arbeitswelt. Die Möglichkeit an einigen Tagen in der Woche von zu Hause oder den „third places“ aus arbeiten zu können, ist in der heutigen Zeit für zahlreiche Bürobeschäftigte ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers. Trotz dieser Flexibilität wird deutlich, dass eine Arbeitswelt ohne zentrale Funktionen bzw. Bürogebäude kein realistisches Szenario darstellt. Für die meisten der klassischen Bürobeschäftigten ist „das Büro“ weiterhin ein wichtiger Ort, an dem der persönliche Austausch stattfinden soll und damit auch die Unternehmenskultur gebildet wird. Weiter ist zu vermuten, dass vor allem ein repräsentatives Bürogebäude mit exzellenter ÖPNV-Anbindung in zentraler Lage für ein Unternehmen beim Anwerben talentierter Arbeitskräfte einen Wettbewerbsvorteil repräsentiert.
Doch Stimmen mehren sich, dass dies eine eher optimistische Perspektive von Investoren ist, welche Angst haben, auf Büroflächen sitzen zu bleiben, zumal die klassische Belegungsquote Montag bis Freitag offensichtlich zunehmend erodiert.
Deutlich wird, bei der aktuellen gesamtwirtschaftlichen und immobilienspezifischen Gemengelage benötigen Investitionen beziehungsweise Investoren in Büroflächen einer argumentativ starken Geschichte. Die gegenwärtige Frage lautet dementsprechend: Brauchen wir noch Büroflächen in den Dimensionen wie den letzten 30 Jahren? Und spätestens hier gehen die Alarmsignale der Investoren an, welche pri-mär – und das ist volumenbezogen der größte Teil – in langfristige Mietverträge in Bürogebäuden investiert sind. Dabei lässt sich diese Aufgabenstellung in einige Handlungsfelder zerlegen und es müssen Fragen beantwortet werden – von Unternehmen, sprich potenziellen Mietern, welche vor der Wahl stehen, wie zukünftig mit den Flächen, Standorten und Funktionalitäten umzugehen sein wird:
- Besteht eine Notwendigkeit attraktiver Arbeitsplätze für potenzielle Mitarbeiter? Wie sieht es mit flexiblen Arbeitsmodellen als Lösungsansatz aus?
- Wie ist die aktuelle Praxis der Arbeitsplatzgestaltung? Welche Einflussfaktoren auf die Belegungsquote von Büroflächen existieren?
- Bestehen Unterschiede in der Produktivität je nach Arbeitsort und -umgebung? Wie ist die Arbeitskultur und -strukturen im Homeoffice?
Strukturbruch durch die Pandemie
Deutlich wird dabei, dass die Pandemie einen Strukturbruch ausgelöst hat. Der Geist ist aus der Flasche und wird nicht mehr zurückkehren. Die Art und Weise wie wir Büros nutzen, hat sich grundlegend verändert. Büroflächen werden sicher weiterhin benötigt, aber ihre Lage und Beschaffenheit werden sich anpassen müssen. Der Einsatz von Homeoffice und flexiblen Arbeitsmodellen führt dabei zu einer neuartigen Kennzahl – der Belegungsquote. Die Belegungsquoten variieren jedoch aktuell stark zwischen 30 und 70 Prozent – je nach Dienstleistungsbranche. Es ergibt sich also kein einheitliches Bild. Hinzu kommt, die Wahl der Büroflächen wird in Zukunft entscheidend sein. An zentralen Standorten, wo die Mobilität gewährleistet ist, werden Büroflächen weiterhin benötigt. Die reine Büroturm-Kultur gehört jedoch der Vergangenheit an. Mixed-Use Gebäude werden immer beliebter und sinnhafter. Eine große Bedeutung hat auch die Herausforderung für die Unternehmen, eine positive Arbeitskultur zu fördern. Der Autonomiegrad der Mitarbeiter ist dabei zentral. Arbeitsprozesse müssen dabei flexibel gestaltet werden, um den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Verkehrsinfrastruktur wird für Bürostandorte immer relevanter
Hier einige Ergebnisse unserer Umfrage von Juli 2023 unter 250 Investoren:
Konzeptwechsel voraus?
- 82 Prozent der von uns befragten Marktakteure gaben an, für die Zukunft eine kombinierte Nutzung aus Homeoffice und Bürogebäude anzustreben.
- Nur 2 Prozent der Befragten gaben an, in Zukunft nur das Homeoffice nutzen zu wollen. Diese Daten verdeutlichen, trotz der Hypejahre während der Pandemie, dass das Bürogebäude kein Konzept der Vergangenheit darstellt.
- 63 Prozent der befragten Akteure an, dass eine großzügige Flächengestaltung zur Förderung des persönlichen Austausches an Bedeutung gewinnt.
- 41 Prozent, erwarten, dass zukünftig die zentrale Lage eines Büroobjektes an Bedeutung gewinnt.
- 61 Prozent der von uns befragten Personen an, dass eine gute öffentliche Verkehrsanbindung des Bürogebäudes an Bedeutung gewinnt.
Notwendigkeit der Präsenz hängt von Kommunikation ab
Die Kommunikationserfordernis entscheidet über Anwesenheit im Büro:
- 70 Prozent der Befragten erwarten, dass durch den persönlichen direkten Austausch die Kommunikation innerhalb des Unternehmens positiv gefördert wird.
- Im Rahmen unserer Umfrage gaben 49 Prozent der befragten Personen an, dass durch einen vermehrten Besuch des Bürogebäudes die Unternehmenskultur verbessert werden kann.
- 39 Prozent der von uns befragten Personen an, dass eine häufige Wahrnehmung der Arbeitsplätze im Bürogebäude einen positiven Einfluss auf die Identifikation der Belegschaft mit dem Unternehmen hat.
- So gaben im Rahmen unserer Umfrage 73 Prozent der Befragten an, bereits die Erfahrung gemacht zu haben, dass das mobile Arbeiten bzw. das Homeoffice im Bewerbungsprozess ein wichtiges Kriterium darstellt.
Bei vielen Umfragen ist zudem umstritten, wie hoch die Produktivität im Homeoffice ist. Es gibt gegenwärtig kein einheitliches Bild. Manche fühlen sich produktiver, andere nicht. Die Zukunft, auch mit dem Stichwort KI, wird Veränderungen in der Arbeitsleistung mit sich bringen. Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten und neue Bewertungsmethoden einführen. Ein Fazit vieler Umfragen steht ebenfalls fest, die Zeiten des starren Korsetts sind endgültig vorbei. Unternehmen müssen den Individualismus der Mitarbeiter respektieren und eine moderne Arbeitskultur schaffen. Kommunikation und Flexibilität sind dabei entscheidend.
Aber: Unternehmen sind gegenwärtig in der Findungsphase, wie sie diese Veränderungen bewältigen können. Die Produktivität im Homeoffice gegenüber dem traditionellen Büro ist ein diffuses Thema, das weiter untersucht werden muss. Die Arbeitskultur der Zukunft erfordert Flexibilität und individuelle Autonomie. Unternehmen sollten auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen und gleichzeitig eine positive Arbeitskultur fördern. Büroflächen werden in Zukunft zentraler sein, aber auch bunter und vielfältiger. Ein Wandel, den wir aktiv gestalten müssen. Die „Absprache mit dem bzw. der Vorgesetzen“ ist keine Strategie, um hier Prozesse ableiten zu können. Mehr noch ein Sinnbild, dass diese Findungsphase offensichtlich weitergeht.
Zum Autor: Prof. Dr. Thomas Beyerle, Geschäftsführer, Catella Property Valuation