Skip to main content
search
Interview

Geschäftsmodellinnovationen: Triebkräfte für den Change aktivieren

Viele Unternehmen und Service-Organisationen spüren externe Einflussfaktoren, die dazu auffordern, einen Wandel anzustoßen – im Geschäftsmodell, in der Unternehmenskultur und auch im Verhältnis zu Trendthemen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Da ist guter Rat gefragt: Die Abteilung Supply Chain Development & Strategy des Fraunhofer IML in Dortmund befasst sich insbesondere mit dem Aufbau nachhaltiger Supply Chain Strategien für Unternehmen im Kontext der Digitalisierung. Dipl.-Ing. Josef Kamphues und Carina Culotta sprechen über funktionierende Wege zu neuen, innovativen und nachhaltigen Geschäftsmodellen.

Michael Braun: Geschäftsmodellentwicklung für Unternehmen und eine Forschungseinrichtung zu Materialfluss und Logistik hätte man jetzt vielleicht nicht direkt miteinander in Verbindung gebracht. Wieso ist das Teil Ihrer Arbeit?

Carina Culotta: Die Veränderungen von Supply Chains haben einen direkten Einfluss auf das Geschäftsmodell. Ein Geschäftsmodell beschreibt in der Regel, für wen ein Unternehmen auf welche Art und Weise welche Werte schafft und damit Geld verdienen kann. Verändert sich die Supply Chain z. B. durch Krisen, Lieferengpässe oder aber auch neue Technologien und damit verbundene Potenziale, wird gleichermaßen die Art und Weise, wie Werte geschaffen werden können verändert. Andersrum bedeutet ein neues Geschäftsmodell, z. B. die Umsetzung eines neuen Produkts oder Services, dass wiederum nach passenden Supply Chain Lösungen wie z. B. Lieferanten oder Produktionsbedingungen gesucht werden muss, um die Leistung herzustellen. Als Forschungsinstitut haben wir dabei die Möglichkeit insbesondere die Forschung zu aktuellen Trends und Technologien im Supply Chain Management wie z. B. digitale Zwillinge, künstliche Intelligenz aber auch Blockchain mit der konkreten Geschäftsmodellentwicklung von Unternehmen zu verbinden. Dabei orientieren wir uns individuell an den Bedarfen, Wünschen aber auch Fähigkeiten der Unternehmen und ihren Herausforderungen.

Michael Braun: Das hängt dann vom Einzelfall ab?

Josef Kamphues: Ja, es ist alles möglich in der Art und Weise, wie wir mit Unternehmen zusammenarbeiten. Das geschieht immer sehr problemorientiert. Wir ziehen nicht eine Schublade auf, nehmen einen Geschäftsmodellentwurf oder ein Konzept heraus und liefern das beim Kunden ab. Jedes Projekt ist individuell und kundenorientiert. Wir möchten erst einmal wissen: Was ist das Problem? Wir versuchen, den Kunden zu verstehen, dessen Herausforderungen zu identifizieren und sind auch gerne mal vor Ort, um einen Einblick ins Unternehmen zu bekommen.

Michael Braun: Wie kann ein Projekt beispielhaft ablaufen?

Josef Kamphues: Wir gehen wie gesagt problemorientiert vor. Über eine erste Analyse versuchen wir herauszufinden, wo das größte Potenzial für das Unternehmen oder das aktuelle Geschäftsmodell steckt. Entweder hat der Kunde Leidensdruck – er muss also etwas verändern – oder möchte gerne proaktiv vorausschauen. Das zu identifizieren, dafür eignet sich ein Workshop sehr gut. Idealerweise sind unterschiedliche Akteure z. B. Geschäftsführung aber auch Produktionsleiter oder Einkäufer in diesem Workshop vertreten. Wir verstehen unsere Rolle in dem Prozess als Methoden- und Impulsgeber. Wenn wir Themen gemeinsam mit den Kunden erarbeiten, stellen wir den methodischen Rahmen und setzen natürlich auch den fachlichen Rahmen, aber letztendlich muss der Input hier dann auch vom Kunden kommen, denn dieser kennt sein Geschäft am besten.

Michael Braun: Wenn wir in Ihre konkrete Arbeit hineinschauen zu dem Zeitpunkt, wenn Sie mit einem Unternehmen zusammengekommen sind, wie kann man sich das dann in der Praxis vorstellen?

Carina Culotta: Ganz unterschiedlich: Während Corona wurde natürlich viel virtuell gemacht. Die Kund:innen kommen aber auch gerne zu uns, weil sie hier Dinge sehen und ausprobieren können. Im ersten Schritt sind wir aber wie schon angedeutet auch immer beim Kunden, weil man die Situation vor Ort sehen muss, gerade wenn es um Bereiche wie Produktion und Lager geht. Wir schauen uns also die Lagerfläche an, die möglicherweise nicht optimal genutzt wird, die Produktionsbedingungen, die z. B. mithilfe neuer Technologien verbessert werden können, oder erkennen vor Ort, dass der Standort an sich optimiert werden kann.

Michael Braun: Und nach der Analyse sind Sie auch in die Umsetzung einbezogen?

Carina Culotta: Das ist der nächste logische Schritt nach der Potenzialanalyse – die Entwicklung eines Geschäftsmodells und die konkrete Umsetzungsbegleitung und ein entsprechendes Roadmapping sind Teil unseres Angebots. Das heißt, dass wir den Kunden natürlich auch dabei helfen, die Veränderungen und nächsten Schritte entsprechend extern zu kommunizieren, aber auch den internen Change-Prozess zu gestalten. Es gibt viele Projekte, in denen wir eine Change-Strategie aufsetzen, wenn es um neue Geschäftsmodelle geht. Wir als Institut sind da sehr flexibel in der Umsetzung, angefangen von einem halbtägigen Change-Sensibilisierungs-Workshop bis zur kompletten Change-Strategie, die wir über mehrere Monate begleiten.

Michael Braun: Wenn die Kunden auf Sie zukommen, welche Haltung nehmen diese dann ein? Und mit welchen Erwartungen kommen diese auf Sie zu?

Josef Kamphues: Auch das ist oft sehr unterschiedlich. Denn vielfach wissen diese gar nicht so genau, was sie wollen. Sie merken aus ihrem Business heraus, dass sie etwas tun müssen, möglicherweise auch in Richtung neuer Geschäftsmodelle. Das Verständnis ist: ‚Das scheint irgendwie wichtig zu sein‘, nur der Impuls fehlt dann. An der Stelle sondieren wir und stellen fest, wie die Strategie aussehen kann. Es gibt aber auch Kunden, die erkennen, dass das aktuelle Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert oder nicht mehr funktionieren wird. Das sind einfach diese beiden Triebkräfte, die wir immer wieder sehen: Entweder haben Unternehmen unglaublich hohen Druck – durch die Branche und den Wettbewerb, oder durch ein Zielland mit veränderten Marktbedingungen. Oder auf der anderen Seite sind es Unternehmen, die etwas Neues und Innovatives machen möchten, gerade aktuell vielfach im Bereich Nachhaltigkeit. Da treffen wir auf Unternehmen, die sagen: „Das ist jetzt wichtig. Da muss ich etwas machen.“

Michael Braun: Den Ansatz stelle ich mir aus Forschungssicht dann erst einmal schwierig vor: Wenn man jetzt an das Thema nachhaltige Geschäftsmodelle denkt, klingt das doch ziemlich abstrakt aus der Begrifflichkeit der Nachhaltigkeit heraus, denn das kann doch tatsächlich sehr breit gefächert sein, wenn ich jetzt an die drei Dimensionen denke.

Carina Culotta: Da haben Sie Recht. Das Thema Nachhaltigkeit ist breit gefächert und wir sehen das auch in diesem Dreiklang Soziales, Ökologisches, Ökonomisches. Wir erleben viele Unternehmen, die zumindest erst einmal Nachhaltigkeitsstrategien intern durchdenken. Das heißt, dass sie bei sozialer Nachhaltigkeit ansetzen, z. B. mit Blick auf die Mitarbeitenden. Das geht dann aber weiter zu den anderen Säulen: Wie können wir unsere Produkte nachhaltiger gestalten, indem wir eine bessere Supply Chain entwickeln, auf andere Lieferanten setzen, alternative Transportwege realisieren? Unterschätzt wird aber auch vielfach die ökonomische Nachhaltigkeit, das sehen wir gerade aktuell: Wir kann mein Unternehmen langfristig gesund bleiben, wie entwickle ich hier eine nachhaltige Strategie? Wie Sie sehen, haben wir ein sehr abstraktes Themenfeld vor uns, aber auch hier gehen wir in jedem Projekt sehr individuell und methodisch vor.

Michael Braun: Was wird dann von Ihnen als Forscher:in erwartet?

Carina Culotta: Viele Unternehmen sind natürlich neugierig, gerade wenn es um Nachhaltigkeit geht. Oder, erweitert auf das Thema digitale Geschäftsmodelle, auf unsere Expertise und Methodenkompetenz. Wer mit Fraunhofer zusammenarbeitet, macht das auch deswegen, weil innovative Konzepte erwartet werden, die nicht von der Stange kommen. Und die Unternehmen möchten dabei selber lernen und an den aktuellen Trends teilhaben. Gerade das Thema Blockchain ist etwas, das von Unternehmen derzeit noch mit sehr großer Experimentierfreude betrieben wird. Auch hier brauchen die Unternehmen Unterstützung, weil sie oft nicht erkennen: Was kann die Technologie? Was leistet sie? Und was heißt das für mein Unternehmen? Das ist dieser problemorientierte Ansatz mit einem gewissen Technologieinteresse, bei dem wir ins Spiel kommen.

Michael Braun: Sind Sie dann auch gefragt, wenn es um aktuelle Herausforderungen wie die Coronakrise oder den Krieg in Osteuropa geht?

Josef Kamphues: Ja, einfach weil Unternehmen gerade auch im Bereich von Lieferketten und Logistik vor vielen neuen Herausforderungen stehen. Natürlich gibt es den ersten Reflex, Produktionen oder Lieferketten zu verlagern und damit resilienter machen zu wollen. Unternehmen haben schon auf der Agenda stehen, sich abzusichern und krisenfester zu werden. Auf der anderen Seite sind viele Industriezweige teilweise so komplex, dass es nicht wirklich möglich sein wird, z. B. alle Rohstoffe auf einmal in Deutschland oder Europa zu beziehen. Unsere Sicht auf die Dinge bestimmt dabei dann auch wieder den Aspekt der Nachhaltigkeit, hier im Sinne von politisch-sozialer Nachhaltigkeit.

Michael Braun: Und gibt es dann auch Momente, in denen sie mit einem Kunden arbeiten und merken, dass sich das Projekt mit einem anderen Projekt verknüpfen lässt, so dass man auch Partner zusammenbringen kann?

Josef Kamphues: Vernetzung ist ein wichtiges Thema. Wir verfügen durch die Vielzahl der Projekte, auch bei Fraunhofer insgesamt, über ein großes Netzwerk. Da hilft es schon, Akteure in einen Austausch zu bringen, um die Forschung voranzutreiben. Es geht nicht darum, bestimmte Unternehmen oder Dienstleister für eine Umsetzung zu empfehlen, das dürfen und wollen wir nicht. Aber: Vieles gelingt einfach besser, wenn man es gemeinsam macht, als auf sich allein gestellt zu sein.

/ Autorin

Carina Culotta

Research Associate
Supply Chain Development & Strategy

Fraunhofer IML

/ Autor

Josef Kamphues

Abteilungsleiter Supply Chain Development & Strategy

Fraunhofer IML

Digitale Geschäftsmodelle in Innovationsprojekten entwickeln

Die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle muss nicht ausschließlich auf den eigenen Kompetenzen und Erfahrungen aufbauen. Lesen Sie selbst wie durch die Teilnahme an Innovationsprojekten auch Ihr Unternehmen von praxisrelevanten Erfahrungen profitieren kann.

Entdecken Sie die Themenwelt Neue Geschäftsmodelle

Der Weg zum digitalen Geschäftsmodell

Formen neuer Geschäftsmodelle

Weitere Informationen rund um neue Geschäftsmodelle

Ansprechpartner

Julian Schenk

Sales & Business Development

02362 98 73-15

/ KVD SERVICENEWS

Bleiben Sie immer auf dem Laufenden ...

… mit aktuellen Nachrichten, Praxis-Tipps und Empfehlungen in den KVD SERVICENEWS – unserem regelmäßigen Newsletter-Format.

Close Menu