Wertebasiert arbeitende Unternehmen sind auch wirtschaftlich langfristig erfolgreicher als solche, die opportunitätsgetrieben neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Wie können wir also sicherstellen, dass neue Angebote nicht nur einen kurzfristigen Bedarf decken und insofern Mehrwert schaffen, sondern auch mittel- und langfristig dem entsprechen, was Kunden und andere Anspruchsgruppen in der Gesellschaft wertschätzen?
Wertebasiertes Innovationsmanagement macht Werte der Beteiligten – also Systeme von Prioritäten und Vorstellungen des Wünschenswerten – zur Grundlage von Innovationsvorhaben. Werte bieten eine Heuristik für die Erschließung neuer Geschäftsfelder, Orientierung für deren Gestaltung und Ansatzpunkte zur Integration auch widerstrebender Interessen. Sie helfen Visionen und eine Mission zu formulieren, für die es sich zu arbeiten lohnt. Sie tun es gerade dann, wenn es um die Gestaltung von Zukunft geht, um die Entwicklung neuer Prozesse, Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und Identitäten von Organisationen und übergreifenden Netzwerken. Wenn so verstandene Werte nicht bloß proklamiert werden, sondern die Innovationskultur prägen und Leitlinien des Handelns etablieren, führen Neuerungen auch trotz unerwarteter Verläufe zu wünschenswerten Ergebnissen. Dies gilt insbesondere auch für Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle und Angebote nachhaltigkeitsorientiert neu ausrichten wollen.
Ein eindrückliches und in der Literatur klassisch gewordenes Beispiel davon gibt Interface ab – ein weltweit aktiver Hersteller von Teppichen und Bodenbelägen, auf denen die meisten LeserInnen in ihren Büros schon Zeit verbracht haben werden. Bereits in den 90er Jahren begann das Unternehmen auf Initiative seines Gründers Ray Anderson, das gesamte Unternehmen wertebasiert und nachhaltigkeitsorientiert umzugestalten, und dabei verschiedene Gestaltungsmuster zu prägen, von denen wir heute lernen können.
2006 wurde die Eliminierung jeglicher negativen ökologischen Auswirkungen offiziell als „Mission Zero“ des Unternehmens deklariert, und 2020 weitestgehend auch erreicht. Dazu wurden zahlreiche Neuerungen durchgesetzt, wie etwa von der Natur inspirierte und Material sparende ästhetische Gestaltung von Teppichfliesen (Nachhaltige Produktgestaltung), eine radikale Reduktion der Energie- und Materialkosten durch energiesparende Verarbeitung und Recycling, und die Zusammenarbeit mit energieeffizienten Logistikpartnern (Ressourceneffizienz und Produktivität). Das Ertragsmodell wurde vom Verkauf von Teppichen auf das Angebot von Bodenbelag als Dienstleistung umgestellt (Ergebnisorientierte Dienstleistung), inklusive Rücknahmeservice für gebrauchte Teppichfliesen.
Bei dem Versuch, Nachhaltigkeit zu einem zentralen Wert für Innovation und somit zu einer grundlegenden Orientierung für Geschäftsmodellentwicklung zu machen, können Unternehmen von Vorreitern lernen, die diesen Weg bereits erfolgreich gegangen sind. Auf Grundlage der wissenschaftlichen Literatur haben wir 45 in der Praxis bewährte Gestaltungsmuster für nachhaltige Geschäftsmodelle herausgearbeitet. Jedes Gestaltungsmuster zeigt empirisch belegte Möglichkeiten für ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltiges Wirtschaften. Die Beschreibung der 45 Muster enthält jeweils eine Zusammenfassung, die adressierte Nachhaltigkeitsherausforderung, Lösungsmöglichkeiten im Sinne von Geschäftsmodelldesigns und einige Praxisbeispiele.